Etappe 02: Durch die Wälder des Nordens – Wie wir den Hut Dog erfunden haben

Hard facts: Ahipara – Paihia, 150 km

  • durch die vier aufeinander folgenden Urwälder Northlands in stetigem Auf und Ab, teilweise fast weglos und fast immer schlammig

Erwartungshaltung: Danach weiss ich, ob meine Kondition passt und wie gut die Ausrüstung wirklich ist…

Tag 5 – Ahipara bis Ende Herekino Forest (23 km)

km-Stand: 125

Der Ruhetag tat besonders meinen gegrillten Füßen gut, aber auch ansonsten gab es genug zu tun: Zum Proviant nachfüllen (sehr zu viel hatte ich nicht mitgenommen) ging es in den örtlichen Pak n Save (große Supermarktkette mit quietschgelbem Logo), wozu Theo zur lockeren Wanderung unter sengender Sonne quer durch Kaitaia traf, zum Chinesen (der grade panierte Flunder im Angebot hatte, für ein Spottgeld ein richtiger Sattmacher) und zur Dairy. Das ist nicht, wie sonst im englischen Sprachraum, eine Milchhandlung, sondern ein ganz klassischer Tante-Emma-Laden. Mehr zur Struktur der Supermärkte und des Einzelhandels deep down under behandle ich (ja, mein Job lässt mich halt doch nicht ganz aus seinen Klauen) im aktuellen Ex der Woche.

Motiviert stand ich demnach um kurz vor 8 frisch gepackt und mit 5 Kilo Essen und Wasser zusätzlich auf dem Rücken an der Straße, um die 10 km nach Ahipara, wo die anderen genächtigt hatten, per Anhalter zu überbrücken. Diesmal erbarmte sich ein stolzer Maori-Vater mitsamt drei Töchtern auf dem Weg zum Strand, und die Zeit flog mit der Schilderung seiner ganzen, im Norden verstreuten Familie vorbei; wir überholten den zufällig von Ahipara kommenden Theo, ich stieg aus und wir liefen die ersten acht Etappenkilometer entlang von Straßen zusammen. Das half, die beginnende Asphalthitze zu vergessen, das Wetter versprach schöne Aussichten, und alsbald waren wir im Wald und auf dem Forstpfad angekommen, der erstmal steil aufwärts, dann im steten Auf und Ab entlang mehrerer Bergrücken durch den Herekino Forest führt. Der Pfad ist am Anfang und Ende dank Wurzeln und Schlamm etwas mühsam, die Vegetation erinnert teilweise an Borneo und wechselt ständig, vor allem Trockenwald. Zwischendrin legt man mehrere km auf klassischen Waldwegen zurück.

Insgesamt war es zwar anstrengend, aber bei weitem nicht die Hölle, die von mehreren Seiten als Warnung ausgesprochen worden war. Das lag sicher am guten Wetter, denn auch hier gilt das klassische Gesetz von Wanderwegen in NZ: Warum lange Kurven oder Serpentinen einbauen, das geht doch auch einfach geradeaus! Egal wie steil, die Direttissima ist eindeutig konditionsfördernd, blöd nur, wenn man daran noch nicht gewöhnt ist bzw. nicht genug davon hat. Auch Zäune gilt es zu überqueren, meist mit den üblichen Holzkonstruktionen, die der Trust fast überall für die geneigten Tramper bereithält (wahrscheinlich schützen die Übergänge aber eher die Zäune vor den Wanderhorden ;-)).

Ebenfalls ungewöhnlich: Es gibt Fusswaschanlagen am Anfang und Ende des Waldes. Grund ist die Kauri dieback disease, eine den mittlerweile seltenen Kauribaum befallende Wurzelkrankheit noch ohne Gegenmittel. Der Baum stirbt ab, befallenes Erdreich ist der Auslöser, und da sind natürlich Wanderer wie wir die großen Kandidaten, wenns ums Infizieren geht, schließlich tragen wir an unseren Schuhen einiges davon in der Gegend herum und auch von Wald zu Wald.

Ein willkommenes Mittagspäuschen an einem Flusslauf mit Bassin mitten im Wald kam zum Ausruhen und Wasserfassen gelegen, auch Miriam und Vincent trafen wir dort wieder, und danach, diesmal mit Musik im Ohr, bekam ich einen Schnelllaufrappel und wetzte die letzten 8 km geradezu durch den Wald. Direkt am Waldrand angekommen, traute ich meinen Augen nicht, wurde ich doch des Tramp Inn gewahr, eines umgebauten Schafstalls mit Anbau, wo man für einen kleinen Obulus übernachten kann. Noch viel besser allerdings: eine rostige Aussendusche, die auch noch funktionierte! Ich entledigte mich meines Smartphones, schmiss den Rucksack weg, stellte mich in kompletter Montur drunter und – es gab eiskaltes Wasser! Welche Wohltat. Die Klamotten konnte ich danach noch zum Trocknen auslegen, Kaffee für die Mitstreiter war schnell gekocht, und es wurde eine gemütliche Runde. Unsere Trail Kitchen (=Küche unterwegs) lief zu Hochtouren auf, und als alle bereits satt waren, kamen wir auf die Idee, uns zum gemütlichen Anlass noch einen Kuchen zu backen. Vince hatte Mehl mit, ich getrocknete Heidelbeeren und Gewürz, Miriam steuerte ihre Mandelmilch bei, Theo Wasser und Rührkünste. Der Erstversuch war ein etwas unansehnliches braunweisses angebranntes Etwas, das beim Versuch, es zu wenden, auch noch aus dem Kochtopf entwich und nach Art einer Kuhhinterlassenschaft mit sattem Flatsch auf dem staubigen Boden vor der Hütte landete. Das konnten wir uns nicht bieten lassen! Unter lautem Gelächter wurde das Rezept verfeinert, ich zauberte mein Kokosfett noch dazu, und am Ende stand im Zweitversuch dann ein Kloß, den wir ganz entgegen unserer Skepsis sogar gegessen und geschätzt haben. Am nächsten Morgen war keinem schlecht – und unser Hut Dog geboren!

Die Hütte war zum Schlafen wunderbar geeignet, und mir bescherte sie, neben einer nächtlichen Begegnung mit einem Opossum beim Toilettengang, auch noch einen überragenden Sternenhimmel. Das war Trail de Luxe heute, und wo sind die Northland-Wälder, vor denen uns alle gewarnt hatten?

Tag 5 – Ende Herekino Forest bis mitten im Raetea Forest (24 km)

km-Stand: 149

Hier! Der Blick nach draußen verhieß frühmorgens grau in grau mit Stoßregenfällen, die in Deutschland als Wolkenbruch durchgehen würden. Da war also das schlechte Wetter, und dementsprechend zogen sich heute die Vorbereitungen wie Kaugummi in die Länge. Im Tramp Inn war es feucht, und zweimal hinderten uns alle direkt durchziehende Schlagwetter, loszugehen. Schließlich nutzten wir nacheinander eine Regenpause, um zunächst dem Pfad bis zur nahen Straße und von dort durch ein fürs Holzfällen vorgesehenes Gebiet und später einer sich durch die Berge schlängelnden Straße bis ins Dörfchen Takahue zu folgen. Lief ich im ersten Teil noch ansatzweise trocken durch die Gegend, setzte danach plötzlich und mit Wucht der Regen ein. Zwar kam ich noch dazu, die Regenklamotten überzuwerfen, war aber trotzdem in Windeseile durchnässt und stapfte missmutig durch die grünen Hügel. Natürlich wirkte sich das auf mein Tempo aus, und so dauerte es bis 12.30, bis ich lange nach den anderen hinter Takahue anlangte, wo wir unter einem großen Baum Rat Kriegsrat hielten. Theo und ich entschlossen uns, trotz vorgerückter Stunde noch zu versuchen, die verbleibenden 20 km durch den Raetea Forest in Angriff zu nehmen, Miriam und Vincent machten noch etwas länger Pause, um dann zumindest noch ein Stück weiter zu laufen. Nun wurde zwar das Wetter besser, aber der Weg steiler. Über Wirtschaftswege ging es bergauf, und dann begann der bisher anstrengendste Teil des Weges – und ein Highlight, das ich so schnell nicht vergessen werde. Der Raetea-Track schlängelt sich in stetem Auf und Ab über diverse Gipfel. Eine Gratwanderung also, aber in mehrfacher Hinsicht. Mir wurde im Vorwege gesagt, dass einige Te Araroans im November insbesondere hier kapituliert hätten, weil der Track einfach zu matschig war. Nun waren wir mit gutem Wetter unterwegs, blauer Himmel, leicht bewölkt, und die Wochen vorher waren eher trocken. Dennoch ist der Pfad, und vielmehr ist es meistens nicht, eine Aneinanderreihung von kaum zu umgehenden, teils knietiefen Schlammlöchern, auch mitten in Auf- und Abstiegen. Dadurch, dass jeder Wanderer versucht, an Ihnen vorbeizulaufen, werden sie eher größer, weil auch das umliegende Gelände in Mitleidenschaft gezogen wird. Dann kommen noch die Wurzeln hinzu, so dass man abwechselnd rutscht und stolpert. Das Fortkommen sank auf 1,5 km/h, allerdings: In dem Moment, in dem ich die Gelegenheit hatte, mal vom Boden aufzusehen, boten sich die schönsten Blicke auf wirklich undurchdringlichen Dschungel, herrlichsten Farnwald und tolle Lichtspiele mit Hell-Dunkel. Ein absolut faszinierendes Erlebnis. Hinzu kam, dass meine Barfußschuhe sich für den Modder als geradezu ideal erwiesen. Nicht so schwer, selbst wenn frontal im Schlamm versunken, und danach schnell wieder trocken. Theo war mir stets etwas voraus, wartete aber an den wenigen, dafür umso schöneren Ausblicken und Gipfelpunkten, deren höchster, der 744 m hohe Raetea, etwa in der Mitte liegt. Uns war schnell klar, dass wir unmöglich den ganzen Treck schaffen würden, also begannen wir uns nach einem geeigneten Wildcamp am Wege umzusehen. Gegen 19.30 hatte er dann einen Platz aufgespürt, ich wollte eigentlich noch weiter, ließ mich aber dann überzeugen. Einen leckeren Porridge später legte ich mich dann in mein Zelt zur Ruhe – und bemerkte zunächst nicht, dass ich selbiges im Halbdunkel auf einem ziemlich abschüssigen Platz aufgebaut hatte. Als ich dann lag und meine Isomatte immer wieder ins Rutschen kam, war ich zu bequem, nochmals alles neu aufzubauen, zumal die gesamte Ausrüstung durch den Tag im Dreck schon ziemlich feucht und verschmutzt war. Die Lösung schien mir zu sein, mich samt Ausrüstung mehr schlecht als recht zu verkeilen und so zu schlafen. Das führte zu einem äußerst unruhigen Schlaf und irgendwann war es das Zelt dann leid, was ich mit ihm anstellte, zwei Karabiner lösten sich und ich segelte mitsamt Zelt etwa anderthalb Meter über nasse Blätter nach unten. Leise vor mich hin schimpfend und den mittlerweile wieder einsetzenden Regen bedenkend, richtete ich mich in dieser Lage ein, beschloss durch frühen Aufbruch der Sache ein Ende zu setzen und schlief ob der Erschöpfung dann doch noch zwei Stunden. Es war eine kurze Nacht, aber es half zu wissen, dass vor uns „nur“ noch 6 km Wald liegen sollten, ehe wieder etwas weniger beschwerliches Terrain versprochen wurde.

test

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